Veräußerung eines Fahrzeuges

Veräußerung eines Fahrzeuges

04. Januar 2017 | Versicherungsforum

zum gutachterlich ermittelten Restwert vor Unterrichtung des Schädigers (mit BLD-Anmerkung)

BGH, Urteil vom 27.9.2016 - VI ZR 673/15 (Urteil im Volltext)

1. Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 1.6.2010 - VI ZR 316/09 - VersR 2010, 963).

2. Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

Anmerkung
Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung nicht nur die bisherige Rechtsprechung zur Restwertproblematik. Er positioniert sich auch in einer Frage, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang kontrovers diskutiert wurde. Dabei ging es um die Auslegung des Senatsurteils vom 30.11.1999 – VI ZR 219/98, in dem der BGH u. a. ausgeführt hatte:

"Weist der Schädiger ihm jedoch eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nach, kann der Geschädigte im Interesse der Geringhaltung des Schadens verpflichtet sein, davon Gebrauch zu machen."

Das OLG Köln hat diesen Gedanken weiterentwickelt und in seiner bisherigen Rechtsprechung berücksichtigt, dass der Schädiger eine günstigere Verwertungsmöglichkeit nur dann nachweisen kann, wenn ihm dazu Gelegenheit durch rechtzeitige Bekanntgabe des gutachterlich ermittelten Restwerts gegeben wird. Daher könne der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung unter engen Voraussetzungen auch dann auf höhere Restwertangebote verwiesen werden, wenn er das Fahrzeug zum gutachterlich ermittelten Restwert veräußert, bevor der Schädiger bzw. Versicherer Gelegenheit zur Prüfung hatte (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 16.7.2012 – 13 U 80/12). Andere Obergerichte hatten dies stets abgelehnt und darauf abgestellt, dass sich solche Rückschlüsse aus der zitierten Entscheidung nicht herleiten lassen und die Schadenminderungspflicht des Geschädigten nicht soweit reiche, dass er zugunsten des Schädigers die Einschätzung des Sachverständigen zu hinterfragen habe (z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2005 – 1 U 128/05).

Der BGH bestätigt nunmehr die letztgenannte Auffassung unter Hinweis auf die in § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte Ersetzungsbefugnis des Geschädigten. Voraussetzung ist allerdings eine ordnungsgemäße Restwertermittlung, auf die der Geschädigte auch vertrauen darf. Diese liegt nach der Senatsrechtsprechung in der Regel vor, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten drei regionale Restwertangebote aufnimmt. Ansonsten findet die BGH-Rechtsprechung ihre Grenze nur noch bei berechtigtem Kollusionsverdacht, der darin begründet sein kann, dass die Restwertermittlung ganz erheblich von der tatsächlichen Marktlage abweicht und der Geschädigte davon Kenntnis hat. Dieser vom Versicherer zu erbringende Nachweis ist nur in Ausnahmefällen zu führen, sodass sich der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer bei grober Fehlbegutachtung zukünftig eher mit dem Privatsachverständigen als mit dem Anspruchsteller wird auseinandersetzen müssen.

 

Quelle: BLD